Max Peiffer Watenphul

An Prof. Johannes Itten, Zürich

Venezia, 27.1.1947

Verehrter Herr Itten, Wenn ich heute nach langen Jahren an Sie schreibe, tue ich es mit einer Bitte. Allerdings habe ich in diesen vielen Jahren immer genau Ihre Arbeit verfolgt und wie oft von Ihnen gesprochen. Die Zeit damals in Weimar hat doch alle Leute, die dort gearbeitet haben, ganz fest untereinander gebunden. Und es ist sehr schön zu sehen, wie alles, was damals nur uns kleinem Kreise gehörte, nun groß geworden, fast populär ist. Mir ist es bis 32 sehr gut gegangen. Ich habe mich ganz organisch entwickelt. Meine Arbeit wurde anerkannt, und als ich 1931 den Rompreis und 33 den Carnegie-Preis bekam, dachte ich, daß ich nun auch die Früchte meiner Arbeit ernten könnte. Leider kam dann das Jahr 33: meine Arbeiten wurden aus den Museen genommen, ich durfte nicht mehr ausstellen. Und mein Bild aus der Nationalgalerie in Berlin wurde in die »Entartete Kunst« gehängt. Ich versuchte damals zu emigrieren. Lebte in England und Frankreich etc. Es ging aber nichts gut, und so zog ich mich nach Italien zurück, wo ich im Hause meines römischen Schwagers leben konnte.

1941 mußte ich, kriegsverpflichtet, nach Deutschland zurück. In dem Augenblick kam die Berufung an die Webeschule nach Krefeld. Man hatte einen solchen Mangel an Menschen, daß man sogar auf »Entartete« zurückgriff. Ich übernahm dort die Klasse für Druckentwurf. Die Arbeit fand ich wunderbar, und sie hätte wirklich vollkommen sein können. Ich hatte in gewisser Weise Ihre Nachfolge angetreten: hatte Ihr Atelier und bewohnte Ihre Wohnung in der Steinstraße. Dann kamen die sehr üblen Bombenangriffe. Als mein Atelier mit allem Inhalt zerstört war, löste ich meinen Vertrag, der noch zwei Jahre lief, und ging aus dem unerfreulichen Krefeld weg nach Salzburg, wo ich früher mit Maria Cyrenius die Emailwerkstatt hatte. Die Jahre in Salzburg waren sehr schön. Ich habe enorm gearbeitet und hatte sehr viel Erfolg dort und offizielle Ankäufe durch die Albertina etc. Es war also eine gute Zeit. Nach Kriegsende entsann man sich dann aber, daß ich deutsche Papiere hatte, und die Schikane durch die Behörden fing an. Die Künstler haben mich sehr gestützt, aber es war auf Dauer unhaltbar: ich musste weg. Da ich nach Deutschland gar keine Beziehungen hatte und seit so vielen Jahren nicht mehr da gelebt hatte, wollte ich nicht dorthin, sondern hierher, wo meine Mutter und meine Angehörigen leben.

Leider bin ich nun vom Regen in die Traufe gekommen und muß erleben, daß man, wenn man Deutscher ist, eben als Paria behandelt wird. Ich habe hier gar keine Möglichkeiten, bin gänzlich ohne Mittel und muß jeden Tag mit Unterbringung in einem Lager, Ausweisung etc. rechnen. Das Ganze ist ein trostloses Fazit eines Lebens, in dem man soviel gearbeitet und vielleicht auch geleistet hat. Ich habe Stöße von Bildern hier, aber sie liegen herum und ich kann sie nicht ausstellen. Hier geht es nicht, und ein Transport nach Deutschland ist unmöglich. Ich habe auch keinen Pfennig Geld.

Nun wollte ich Sie fragen, ob Sie nicht dort irgendeine Möglichkeit für mich sehen? Ich bekomme zwar immer Absagen, aber ich denke, einmal muß es doch auch etwas Positives geben. Und es ist doch grotesk, daß ein Maler, der unter den Nazis so zu leiden hatte wie ich, jetzt doppelt leiden muß. Gibt es nicht irgendeine Hilfsaktion für Künstler dort? Verkaufs- oder Ausstellungsmöglichkeiten? Stipendien für einen Aufenthalt in der Schweiz? Aber Sie kennen ja vielleicht meine Fähigkeiten auch. Würden Sie es sich einmal durch den Kopf gehen lassen? Ich wäre Ihnen sehr dankbar. Hier in Venedig ist es im Winter, bei Kälte und Nässe, ein elendes Leben. Ich kann kaum malen. Das bedrückt mich am meisten.

Ich hoffe, sehr bald von Ihnen zu hören. Auch wenn Sie mir absolut nicht helfen können, freue ich mich über ein Wort von Ihnen.

Ich bin stets
Ihr treu ergebener
Max Peiffer Watenphul

In: Max Peiffer Watenphul. Werkverzeichnis. Bd. I. Hg. von Grace Watenphul Pasqualucci und Alessandra Pasqualucci, Köln 1993. © Prof. Dr. Klaus Itten
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. Klaus Itten.