Bernhard Degenhart
Geleitwort zum ersten Band des Werkverzeichnisses
Leben und Schaffen Max Peiffer Watenphuls sind ausgezeichnet durch hohe Intelligenz, immer neue sublime Differenzierungen, vielfältige Kontaktaufnahmen und eine geistige Konsequenz, welche alle entwicklungsbedingten Nuancierungen zu einem großen geschlossenen Werk verbindet. Des Künstlers Leidenschaftlichkeit und Kühnheit wurde durch seine Sensibilität nicht gemindert. Er war so kühn, leidenschaftlich mit Aug und Seele in seiner Kunst reine Schönheit zu verwirklichen, der aufnehmenden und schöpferischen Freude gewidmet, die aber rational war in Ordnung und Maß. Er beanspruchte für sich als sein Künstler-Recht, auf eigene Weise, nämlich nicht als Problematiker wirksam zu werden und damit den Betrachter primär mit Problemen zu konfrontieren, sondern ihn zu erfreuen und zu bestätigen durch eine aus innerer Selbstberechtigung schöne Darstellung von Gegenständen und Themen.
Diese formale und ästhetische Konsequenz offenbart sich schon, wenn er feinfühlig und ordnend Blumenstilleben aufbaut. Was aber in Peiffer Watenphuls Werk am tiefsten berührt, ist ein Themenbereich, mit dem er sich als Liebender an jene wendet, die diesen ebenso lieben; an jene, denen, gleich ihm, dieses Phänomen nicht nur äußerlich, als Erscheinung, sondern als seelischer Gehalt, in seinem Wesen, teuer, ja lebenswichtig ist: Die südliche Landschaft. Peiffer Watenphuls Werk ist die großartigste Offenbarung der Landschaft Italiens, des Geistes italienischer Landschaft, von einem nordischen Künstler unserer Zeit analysiert. Hier tritt vor uns das Werk eines Lyrikers in vollendeter Geschlossenheit – einer Vollendung, die in der inneren Stetigkeit, der Treue gegenüber der eigenen Sensibilität ruht.
Er malt keine Abbilder von Landschaften und Städten, sondern verwirklicht deren Wesen, deren Menschlichkeit. Es entstehen sensible Ausdeutungen südlicher Natur, die Bewunderung und – es sei betont – Freude erregen und als Ausdruck eines Werkes von lyrischer Eigenart tief beeindrucken. Es wendet sich an die, die selbst Bild und Wesen dieser Natur im Herzen tragen. Sie sind dankbar für deren Wiedergabe, dürfen sie beanspruchen wie Bildnisse geliebter Menschen, die nicht nur deren charakteristische Porträtzüge zeigen, sondern ihre Seele erstrahlen lassen. Eben das ist auch Ziel und Erfüllung der südlichen Landschafts- und Stadtkompositionen Peiffer Watenphuls.
Max Peiffer Watenphul wurde am 1. September 1896 in Weferlingen bei Braunschweig geboren. Der Vater war Westfale, die Mutter Rheinländerin. Jenes sensible Differenzierungsvermögen im Einzelnen, das seine Kunst kennzeichnet, wobei er seinen großen Zielen treu blieb, ist ihm auch im Leben eigentümlich gewesen: Kontakte mit vielen bedeutenden Menschen, wechselnde Reisen und Studien und Interessengebiete – über denen allen als Wichtigstes und Triebfeder eine hohe Geistigkeit und ein Gefühl für jegliche Werte und Qualität stand.
Daher oblag Peiffer Watenphul verschiedenen Studien, bevor er sich endgültig zur Malerei entschied: Medizin, dann Jura (bis zur Promotion). Auch auf künstlerischem Gebiet schwankt er zunächst zwischen Weberei, Töpferei und Malerei.
Schon den Jurastudenten verwirrte und nahm gefangen Paul Klee, dessen Werke er in München (bei Goltz) sah. Er will sein Schüler werden, kommt durch ihn ans Bauhaus, zu Johannes Itten. 1919–1921 ist er dort, mit Klee, Feininger, Schlemmer, Itten und Gropius, der dem Jungen ein Atelier zur Verfügung stellt.
Seine frühen Werke – Stilleben und Landschaften – lassen Deutungen aus der Primitiven-Malerei zu. Die Bauhausschulung wirkte sich erst aus, nachdem er jenen Stil gefunden hatte den er dann zeitlebens pflegte, vor allem in den südlichen Landschaften. Sie sind keineswegs bloße Naturabbilder. Nie entstanden sie vor dem Objekt, sondern sind verschieden und überlegt zusammengesetzte Elemente als Ausdrucksträger für Begriffe wie Toskana, Umbrien, Ischia, Venedig; auch Salzburg gehörte für den Mann aus dem Norden zur Welt des geliebten Südens. Seine Landschaften und Städte sind Aussagen innerer Vorstellungen in klaren Kompositionen: hier wirkte Klee weiter, jedoch in einer Richtung, die nur Peiffer Watenphul so intensiv vertrat, die Betonung südlicher Wesensart. Niemand in unserer Zeit hat sie eindringlicher interpretiert, es seien denn gewisse Italiener selbst: z. B. Carrà und Rosai. Ihnen jedoch ist die »Italianità« ihrer Landschaften selbstverständlich, als Eindruck und Ausdruck. Peiffer Watenphul sieht von außen, trotz seines jahrzehntelangen Italiendaseins, sieht zwar in gewisser Weise mit Klees Augen, aber Dinge, die dieser nicht als Ausdrucksgebiet gewählt hatte, wie Peiffer Watenphul. Dabei arbeitete er nach der Bauhausvorschrift: erst ein Abbild, dann dessen Umbildung, schließlich eine Komposition. In Kandinskys, von Itten aufgenommener Terminologie, heißt die Abfolge: Impression – Improvisation – Komposition.
So sind auch Peiffer Watenphuls Zeichnungen zu verstehen: Schon in der Naturskizze »draußen« nimmt er – zeichnend oder aquarellierend – nur konstruktiv Wesentliches auf, komponiert es dann – aquarellierend oder bloß linear – zum Bildgedanken, um diesen schließlich in seiner zarten, rationalen Maltechnik als Gemälde zu gestalten. Daher sind seine Zeichnungen schon im ersten Schaffensstadium nicht flüchtig, sondern präzise, fein, ordnend, klug, ein organischer Kompositionsbau aus Naturelementen. Peiffer Watenphuls erwähnte allseitige geistige Interessen führten von Anfang an zu vielfältigen Kontakten: Klee, Itten, Gropius wurden schon genannt; Flechtheim und Thannhauser waren die wichtigen Galeristen, die sich ihm damals zuwandten. Künstlerische Begegnungen und Freundschaft verbanden ihn weiterhin mit Jawlensky, Feininger, Schwitters, Dix, Schlemmer, Kandinsky, Gilles, Kokoschka, Sohn-Rethel, Purrmann, Rössing; mit Stefan Zweig, Cocteau, Ingeborg Bachmann, auch Peggy Guggenheim, mit vielen italienischen Zeitgenossen, De Pisis – nicht zufällig dieser sensibelste an der Spitze.
Es war sein Drang zu geistigem Austausch, aus dem seine Veranlagung zum Lehrer entsprang, und auch die Beliebtheit, die er als solcher genoß: Er wurde mehrmals an Kunstschulen berufen: 1927–1931 Folkwangschule Essen, 1941 bis 1943 Textilfachschule Krefeld, 1943–1944 Kunstgewerbeschule Salzburg, 1964–1967 Internationale Sommerakademie Salzburg.
1931 wurde er durch den Rompreis ausgezeichnet und war Gast der Deutschen Akademie, Villa Massimo, in Rom. Gerade er gehört zu jenen Malern, denen diese Begegnung mit Rom damals Seele und Auge für die mediterrane Welt öffnete. Purrmann, Gilles, Bargheer, Peiffer Watenphul wurden die wesentlichen Interpreten südlicher Landschaft in der deutschen Malerei der Gegenwart. Peiffer Watenphul ist ein Einzelgänger unter ihnen. Seine Herkunft vom Bauhaus unterscheidet ihn und macht das Eigentümliche seiner Italieninterpretation aus.
Nicht Einzelgänger ist er, wenn man weiter zurückblickt. Mit den Ausdrucksmitteln unserer Zeit darf er als (in einem gewissen Sinn) Fortsetzer der weit zurückreichenden deutschen Italienromantik und -idealisierung, die verschiedenste zeitstilbedingte Prägungen hatte, gelten. Ohne im einzelnen formal vergleichen zu wollen, ist er ein Glied in jener Kette deutscher Maler, für die die italienische Landschaft mehr ein idealer Begriff, eine Aussage ist, als ein Studiengegenstand zur genauen Wiedergabe. Diese Kette reicht von Elsheimer über Reinhardt, Overbeck, Koch, Horny, Schnorr von Carolsfeld, Marées, Kanoldt zu Peiffer Watenphul, in ähnlicher Gesinnung wie die anderen Wahlitaliener unserer Zeit, Gilles und Bargheer.
Natürlich ist die Art der Idealisierung Italiens bei all diesen Malern – entsprechend den Zeitstilen, in denen sie schufen – verschieden, von der persönlichen Eigenart abgesehen. Was Peiffer Watenphul prinzipiell auszeichnet und ihm innerhalb der Vertreter eines idealen Italienbildes seine persönliche Note gibt, ist wiederum die formale Schulung des Bauhauses, die er nie verleugnete. Seine Landschaften sind Formkombinationen, die in Zeichnungen vorbereitet wurden, motivisch sogar wiederkehren. Naturskizzen gehen, wenn überhaupt, meist weit voraus, bis im Bild die Flächendisposition in unräumlichen Farbformeln erfolgte. Manche Kompositionsentwürfe tragen diesbezügliche Farbangaben. Die Wiederkehr langgestreckter Breitformate oder schmaler Hochformate, besonders in Peiffer Watenphuls Graphik, entspringt denselben Tendenzen, das immanent Wesentliche disponierend und nicht reproduzierend auszusagen. Nur ein fanatischer Einzelgänger konnte dieses Prinzip mit solcher Konsequenz auf die südliche Landschaft anwenden und es sein Leben lang tun, stets sensibel, bei aller Betonung eindringenden Intellekts lyrisch zart, bei innerer Größe alles provozierend Programmatische ablehnend, um sich selbst treu zu bleiben.
Man sage nicht, er habe sich wiederholt. Er blieb ganz er selbst, wenn er »nur« differenzierte – differenzierte nur, um das zu bleiben. Wenn er variierend fruchtbar war, so zielte das auf eine weite Streuung seiner Bildgedanken. Er schuf dabei – und das ist wesentlich – nicht zur Befriedigung des Auges allein, sondern des messenden Geistes und um Hintergründigkeiten der Seele anzusprechen. Vieles seiner Wirkung liegt in der Bescheidung, die er sich zeitlebens auferlegte: im Maß, in der Thematik, in deren kluger und kostbarer Modifizierung.
Man spreche auch nicht von Mangel an Problematik. Die Fragestellung muß bei Peiffer Watenphul anders erfolgen; so an ihn herantreten, hieße ihn von vorneherein innerhalb einer Kategorie beurteilen zu wollen, der er nicht angehört, mit falschem Maßstab also. Er ist beeindruckend gerade deshalb, weil er uns außerhalb mancher Problematik unserer Zeit etwas beschert, was viele von uns lieben, nicht wissen wollen, vor sich haben wollen: die Landschaft des Südens als Ausdruck von dessen immanentem Wesen; und dieses gab Peiffer Watenphul nicht als plattes Abbild des Schönen, sondern leidenschaftlich hintergründig im Geist, in der klugen Formdurchdachtheit, die er sich aus dem Bauhaus zu eigen gemacht hatte.
Es war Max Peiffer Watenphuls geistige Vielseitigkeit, die ihn befähigte, seine künstlerischen Ziele eindringlich und schön selbst zu formulieren. Seine Briefe offenbaren den Künstler als im Wort ebenso feinfühlig und dabei präzise nuancierend, wie im Bild. Der Stil seiner Prosa entspricht in Form und Gefühl, die gleichzeitig zart, wie klar und bestimmt sind, seinen Schöpfungen in Farbe und Linie, erklärt diese geradezu. Nicht zufällig ist der Anstoß auch für jegliche literarische Beschreibung ein bildkünstlerischer, Form und Wesen gegenseitig erklärend.
Da dem Künstler Mensch und Natur im Süden am klarsten erschienen, betonte er stets seine Bevorzugung der südlichen Welt, ihrer Landschaft und Architektur.
Seine bei aller Kürze eindringlichen Beschreibungen zahlreicher Landschaften und Städte zeigen immer deren Form und Wesen. Sie zu lesen, ist eine Einführung in seine künstlerischen Absichten. Begegnungen mit Menschen werden ebenso eindringlich angedeutet, wie seine Bemerkungen über sein eigenes Schaffen seine bildkünstlerischen Ziele offenbaren. So schreibt er einmal, daß er sich im Aquarell um innere Größe bemühe. Und zeitlebens betont er die schöpferische Bedeutung, die der Süden für ihn hat. Und wenn er von »Vollkommenheit der äußeren Form« spricht und »alles in Farbe und Form ruhig, klar, klassisch«, ja »Italien doch das schönste Land der Welt« nennt (1960), so hat das keine sentimentalen Gründe, sondern formkünstlerische.
Die Briefe bilden einen autobiographischen Kommentar zum Werk. In diesem Sinne sei Max Peiffer Watenphuls Selbstbetrachtung verstanden (1966), mit der wir schließen: »Meine Werke sind entstanden aus der Liebe zum Mittelmeer und seiner Welt. Wer die Antike liebt, die Landschaft mit ihren Ölbäumen und dem silbernen Laub, das sich immerzu verändert, mit ihren Zypressen, ihren klaren Berglinien, ihren ›Purpurgolfen‹, der wird sie in meinen Bildern wiederfinden und wird sich ihrem Zauber nicht entziehen können.«
In: Geleitwort zu Max Peiffer Watenphul. Werkverzeichnis, Bd. I. Hg. von Grace Watenphul Pasqualucci und Alessandra Pasqualucci. Dumont, Köln 1989.
Mit freundlicher Genehmigung von Frau Annegret Schmitt Degenhart.